170 Xiii. §. 2. Natur der Völker, denen die neue Aufgabe zufiel.
miteinander wetteifernd, saßen auf den Gebirgen und indem eigentlichen
Mittelpunkte Italiens die oökischen und sabellischen Stämme, inson-
derheit die Sabiner und Samniter, mit denen es die römische
Geschichte am meisten zu thun hat. Ihre Gottesverehrung giebt
Zeugniß zugleich von ihrer praktischen Tüchtigkeit (Erde, Feuer, Ehe,
Krieg waren ihre Getter), und nicht minder von ihrer sittlichen Strenge,
denn auch die abstrakten Begriffe Mitleid, Treue, Barmherzigkeit, Jugend,
Rechtschaffenheit, Eintracht u. s. w- wandelten sich ihnen in Gottheiten um.
Das italische Volk, mit welchem wir es bei der römischen Ge-
schichte zunächst zu thun haben, gehört dem großen semitischen Urstamm
au, und zwar dem weitverzweigten indogermanischen oder arischen
Geschlecht, aus welchem nicht bloß die Inder und Perser, sondern auch
die Griechen und die Italiker, nicht minder auch die Kelten, Germa-
nen und Slaven hervorgegangen sind. Während die drei letzteren
Völkerstämme das mittlere Europa in Besitz nehmen, die Inder dage-
gen und die Perser in der Nähe ihrer asiatischen Heimath blieben,
haben sich die Griechen und die Italiker auf den zwei schönen Halb-
inseln des Mittelmeeres niedergelassen, welche die Geschichte des classi-
schen Alterthums noch heute stets in engster Verbindung zu nennen ge-
wohnt ist. Die Zusammengehörigkeit der beiden Völker ist so augen-
fällig, daß man gern nach einem Punkte sucht vor dem Anfang der
griechischen und italischen Geschichte, wo beide Völker noch ein Ganzes
ausmachten. Vielleicht daß man sie in grauer Vorzeit sich in dem
vorder« Theile Klein-Asiens noch als ein einiges Volk zusammenwoh-
nend denken darf. Von dort zogen sie, „da ihre Lippen zertheilt
wurden," auf verschiedenen Pfaden nachdem Westen ab, die einen um
in der Nähe des ägäischen Meeres zu bleiben, die anderen um jenseit des
adriatischen Meeres sich eine neue Heimath zu suchen. Dort theilte sich
dann der italische Hauptstamm wieder in eine Menge einzelner Zweige,
unter deren Namen uns besonders die der Umbrer, Samniter, Latiner und
Sabiner entgegentreten. Die Sabiner, die nebst den Latinern bei
der Gründung Rom's vorzugsweise betheiligt waren, gehörten zu den
kräftigsten und unverdorbensten unter den italischen Stämmen. Sie
führten ein einfaches, nüchternes, arbeitsames Leben, standen unter der
Leitung von Aeltesten oder Stammfürsten, und die schwächeren und unter-
geordneten Familien pflegten sich als Clienten unter den Schutz und die
Bevormundung der hervorragenden Bürger und Volksgenossen zu stellen.
Die Latiner scheinen nicht ganz ungemischten Ursprungs, sondern aus
der Verschmelzung des Sika n er oder Sikuler mit einem uralten, in
der Mitte Italiens ansässigen Volk, den Kaskern, erwachsen zu sein.
Es soll später noch ein dritter Bestandtheil hinzugekommen sein
und die Mischung vollständig gemacht haben, nämlich eine Flücht-
lingsschaar aus Klein-Asien, die sich aus den Trümmern Troja's
unter Leitung des Aeneas gerettet, und etwa 1200 Jahr v. Chr. an
der Küste von Latium gelandet sein soll. Das von ihnen erbaute Alba
TM Hauptwörter (50): [T22: [Volk Bewohner Sprache Land Bevölkerung Einwohner deutsche Religion Million Stamm], T23: [Rom Römer Krieg Italien Stadt Jahr Heer König Rmer Hannibal], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
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Extrahierte Ortsnamen: Italiens Europa Italiens Latium
178 Xm. §. 6. Veränderungen in Rom und Vertreibung der Könige (510).
erst nach mehrhundertjährigem Kampf. Für die nächste Zeit konnten
sie noch nichts weiter gewinnen, ja, durch das gewaltsame Gebühren
des letzten Königs Tarquinius Superbus, der den orienralischen
Alleinherrn spielen wollte, schienen sogar die kaum gewonnenen Vor-
theile wieder verloren, die Grundlagen der weitern Staatsentwick-
lung wieder niedergeriffen zu werden. Aber sie waren zu fest auf
weise Erwägung der Verhältnisse gegründet und zu deutlich aus
einem unabweisbaren Bedürfniß hervorgegangen, als daß das praktische
Römervolk leichtsinnig den eignen Bau wieder hätte zerstören mögen.
Der König Tarquinius Superbus, der sich gleich anfangs
mit einer Leibwache umgeben hatte, wollte weder dem Senat einen Ein-
fluß auf die Staatsregierung verstatten, noch den Comitien, und indem
er Alles seiner eignen Entscheidung vorbehielt, beleidigte er zu gleicher
Zeit die Patrieier wie die Plebejer. Nicht minder verletzte er durch
seine Anmaßungen die Nachbarvölker, die in einem Abhängigkeitsver-
hältniß zu Rom standen, Latiner und Etrusker, so daß er endlich nir-
gend mehr eilte Partei hatte, auf deren Treue und Ergebenheit er
rechnen foimte. Zwar war er ein großer Kriegsmann und überwand
die Volsker, Aequer und Herniker, die im Süden und Osten der La-
tiner saßen, aber das Heer haßte ihn wegen seines harten und hochsah-
renden Wesens. Zwar verschönerte er die Stadt durch Fortführung der
großen Bauten des Tarquinius Priscus und errichtete das Capitolium
mit seinen herrlichen Tempeln, aber das Volk haßte ihn wegen des
harten Frohndienstes, beit es dabei zu leisten hatte. Und als nun gar
die lasterhafte Begierde seines Sohnes Sertus noch dazu kam, als
selbst die ehrbaren Frauen, inmitten ihrer häuslichen Zurückgezogenheit
nicht mehr vor der lüsternen Gewaltsamkeit des tarquinischen Geschlechts
sicher waren, als Brutus und Collatinus mit dem blutigen Dolche,
mit dem sich die geschändete Lucretia entleibte, Volk und Heer zur
Rache aufrief, fanden sie eine seltene Einmüthigkeit des Entschlusses.
Dem König Tarquinius und seinem ganzen Geschlecht wurden die
Thore der Stadk Rom verschlossen, die Königswürde für ewige Zeiten
abgeschafft, Volkscomitien und Senat in ihre Rechte wiederhergestellt,
und zwei jährlich wechselnde Beamte, erst Prätoren dann Consuln ge-
nannt, statt der Könige an die Spitze des Heeres und der bürgerlichen
Einrichtungen gestellt, doch so, daß sie ihre Instructionen vom Senat
empfingen. Nur für die oberpriesterlichen Functionen, die der König
bisher besessen, wurde ein eigner Opferkönig ernannt, der aber durch-
aus keine sonstige Amtsgewalt hatte. Vergeblich suchte Tarquinius
diese Anordnungen wieder umzustürzen und den Thron wieder zu ge-
winnen. Er wandte sich an die Nachbarstädte, an die Etrusker und
die Latiner, um mit bereit Hülfe sich die Rückkehr nach Rom zu er-
zwingen. Aber nachdem er mehrmals die besten Hoffnungen und Aus-
sicht auf gutes Gelingen gehabt, mußte er endlich die Gedanken völlig
«ufgeben und Rom seiner neuen republikanischen Entwicklung über-
lassen.
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180 Xiii. §. 8. Innere Entwicklung der römischen Republik.
Um die große Erniedrigung möglichst zu verdecken, welche das
stolze Rom unmittelbar nach der Vertreibung der Könige erlitt, haben
die römischen Schriftsteller die einzelnen rühmlichen Thaten und Be-
weise republikanischen Heldenmuths desto sorgfältiger hervorgehoben und
ausgemalt, wie z. B. die Vertheidigung der Tiberbrücke gegen die ein-
dringenden Etrusker durch den Horatius Cocles, die entschlossene
Selbstverstümmelung des Mucius Scävola im Lager des Bör-
sen na, den kühnen Fluchtversuch der Clölia mit den übrigen Jung-
frauen, die als Geißeln an den Etruskerkönig ausgeliefert waren. Aber
wie schon der Mordgang des Mucius in's feindliche Lager, besonders
im Vergleich mit späterm römischen Edelmuth gegen feindliche Feldherren
uns schlecht gefallen will und einen traurigen Beweis von der gänz-
lichen Rathlosigkeit und Zerrüttung der römischen Bürgerschaft liefert,
so wenden wir uns vollends mit Abscheu hinweg von dem Henkersamt,
welches Brutus der Vater an seinen eignen Söhnen vollzieht, weil
sie sich verrätherisch mit dem Feinde eingelassen haben. Wie tritt hier
wieder die rücksichtslose Rohheit des abstracten heidnischen Römerrechts
so grell zu Tage. Wie viel ehrwürdiger erscheint uns des Brutus
Mitconsul Collatinus, der, um nicht seine Neffen mit gleicher Er-
barmungslosigkeit selber zum Tode verurtheilen und hinschlachten zu
müssen, lieber sein hohes Amt niederlegt und Rom verläßt. Welche
Härte ferner von Seiten der Patricier, besonders der Claudius'scheu
Geschlechter gegen die Plebejer, selbst mitten in der gemeinsamen Noth.
Eben diese Nothzeit wurde dazu ausgebeutet, um das ärmere Volk
desto tiefer herunterzudrücken, und die kaum bewilligten Rechte der un-
tergeordneten Classe wieder zu entreißen- Selbst die Wiederherstellung
einer vorübergehenden königlichen Macht und Gewalt war den Pa-
triciern zu diesem Zwecke nicht zu gefährlich. Der erste Diktator,
den sie ernannten und der fast mit allen königlichen Rechten bekleidet
war, doch nur für sechs Monate, hatte noch viel mehr die Bestim-
mung, den Widerstand der Plebejer zu brechen, als die äußeren Feinde
abzuwehren, und so oft in den nächsten Jahrhunderten Dictatoren ge-
wählt wurden, lagen fast jedesmal diese beiden Zwecke wieder gleich-
zeitig vor. Uebrigens war damals in der That die Gefahr von außen,
besonders von den Latinern so groß für die Römer, daß der entschei-
dende Sieg der Römer am See Regillus 496 weniger der Thatkraft
des Dictators als der unmittelbar eingreifenden göttlichen Beihülfe zu-
geschrieben wurde. Doch diente auch dieser Sieg nicht dazu, den Rö-
mern ihren frühern Einstuß in Latium zurückzugeben.
8. 8. Innere Entwicklung der römischen Republik.
Die Geschichte Rom's in den nächsten anderthalb Jahrhunderten,
also etwa von 500 bis 340 (bis zur Zeit Alerander's des Gro-
ßen) ist nach außen hin überaus einförmig und beschränkt sich fast
gänzlich auf die ununterbrochenen kleinen Kriege gegen die nächsten
Nachbarn, Latiner, Herniker, Volsker, Aequer, Sabiner, Etrtlsker,
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Xiii. §. 10. Beginn der römischen Herrschaft über Italien. 187
jedesmal nur desto stolzer das Haupt; und ihrer ausdauernden Be-
harrlichkeit, ihrem unvertilgbaren Glauben an die endliche Gewißheit
des Sieges gelang es endlich, nach Sojährigem Kampfe das ganze
mittlere Italien vom Arno an bis an den Silarus in unterthänigem
Gehorsam zu ihren Füßen zu sehen.
Auf keine andere Zeit Rom's mag man mit solcher theilnehmenden
Genugthuung zurücksehen, als aus die Zeiten der samnitischen Kampfe
und die zunächst daran grenzenden Jahrzehende. Denn was man von
republikanischer Bürgertugend, von Einfachheit, Nüchternheit, Groß-
sinnigkeit, Uneigennützigkeit, von. brennender Liebe für's Vaterland und
williger Aufopferung in dessen Dienst unter den Heiden finden mag, das
tritt in diesen Kämpfen auf die großartigste Weise hervor. Und zwar
waren es nicht bloß einzelne Thaten und Persönlichkeiten, welche in
dieser Beziehung aus dem heidnischen Treiben hervorragen, wie z. B.
die beiden, vielmehr die drei Dccius Mus, sowie Fabius Marimus
und Cu rin s Dentatus, sondern es war das Alle beseelende Ge-
meingefühl, die gleichmäßige Hingebung Aller, welche uns an die Zeit
des höchsten Aufschwungs griechischer Begeisterung erinnert. Und doch
kann nichts Ruhigeres, praktisch Verständigeres gedacht werden, als diese
römischen Senatoren und Soldaten, die, fern von aller plötzlichen Ge-
fühlsaufregung, in dem klaren und treuen Bewußtsein ihrer Pflicht
Jahr für Jahr die schwersten Opfer freudig trugen, wo es Rom's Größe
und Ehre galt. Nur fehlte auch dabei niemals die eigenthümliche rö-
mische Härte, und die abstracte, d. h. ungerechte Gerechtigkeit. Muß
man sich nicht mit Grauen abwenden von dem Consul Manlius, der
um eines geringen disciplinarischen Vergehens willen seinen mit Sieg
und Ruhm gekrönten Sohn enthaupten ließ, oder von dem Dictator
Papirius Cursor, der seinem stegreichen Unterfeldherrn bis nach
Rom nachsetzte, um ihn zu verderben, weil er gewagt hatte, einen Sieg
gegen den Willen des Oberfeldherrn zu gewinnen? Und war es nicht
eine bloße Verhöhnung und Umgehung des Rechts und der eben be-
schworenen Treue, daß der Senat durch Auslieferung der Consuln, die
ihn unterzeichnet hatten, sich von der Verpflichtung lossagte, den nach-
theiligen Friedensvertrag mit den Samnitern zu halten? War es nicht
eine ungroßmüthige Härte und grausame Rache, daß ste etliche Jahre
später ihren edelmüthigen und tapfern Feind, den Samniterfeldherrn
Pontius im Kerker hinrichten ließen? Was soll man endlich sagen
zu solchen freilich nur erst vereinzelt vorkommenden Beweisen selbst-
süchtiger Verrätherei am Staatswohl und unrömischer Feigheit, wie
der Aufstand der römischen Legionen in Campanien, die Waffenstre-
ckung in den Caudinischen Pässen, die Einführung einer besonder»
Marktpartei, bestehend aus Freigelassenen und niedrigem Pöbel, die
ihre Stimmen in den Centurien dem Meistbietenden zu verkaufen pfleg-
ten und durch ihre Masse die ehrbaren und rechtlichen Bürger zu über-
stimmen drohten. Selbst das Verfahren der Römer gegen die unter-
worfenen und eroberten Gebiete muß man zwar als staatsklug, aber als
hart und selbstsüchtig bezeichnen. Die Auflösung aller bisherigen
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Extrahierte Personennamen: Fabius_Marimus Pontius
Extrahierte Ortsnamen: Italien Italien Rom Campanien
Xiii. §. 12. Beginn des Weltkampfes zwischen Rom und Karthago. Im
überlassen und nach Griechenland zurückkehren, wo er sein abenteuern-
des Leben bald in nicht sehr rühmlicher Weise beschloß. Die Römer
aber wußten nicht bloß die schöne Beute, die ihnen zugefallen war,
das reiche Unter-Italien, durch zweckmäßige Einrichtungen und Co-
lonieen zu ihrem unentreißbaren Eigenthum zu machen und mit ihrer
römischen Politik und Verfassung zu erfüllen, sondern sie wußten sich
die höhere griechische Bildung, mit welcher sie durch diese Kampfe zu
erst zusammengetroffen wären, gleich so weit anzueignen, als die
eigenthümliche Starrheit des römischen Wesens es zuließ.
Mehr noch als in den Samniterkriegen treten in den fast 10jährigen
Kämpfen der Römer in Unter-Italien und mit dem Pyrrhus die
Mannestugenden hervor, durch welche die alten Republikaner sich aus-
zuzeichnen pffegten. Nicht bloß einzelne Männer, wie der unbestech-
liche und unerschütterliche Fabricius, sondern die ganze Haltung,
Würde und Hoheit des römischen Wesens machten auf den Pyrrhus
einen um so gewaltigern Eindruck, da er bisher nur an die feile Halt-
losigkeit der damaligen Griechen gewöhnt war. Wenn seinem erfahre-
nen Rathgeber und Gesandten Cineas die Versammlung des römi-
schen Senats wie eine Versammlung von Königen erschien, und den-
noch diese Könige zum Theil in der größten freiwilligen Armuth lebten,
so war das dem Griechenfürsten ein ehrfurchtgebietendes Rüthsel. Wie
gern hätte er mit diesem Heldenvolk ein Friedensbündniß geschlossen,
wie überbot er sich in Aufmerksamkeiten und Höflichkeiten gegen den
stolzen Feind. Aber obgleich etliche Male in großer Bedrängniß, hielt
Rom dennoch fest an seinem Grundsatz, nie mit dem Feind zu unter-
handeln, so lange er siegreich sei, und an seinem zuversichtlichen Glau-
den, daß der Sieg über die Völker dennoch Rom beschieden sei. Die
schwache Stimme des blinden Greises (Appius Claudius), der sie an ihre
Römerpflicht erinnerte, überwog im Senat sofort die verführerischen
Redekünste des griechischen Unterhändlers. Aber bei aller Großartig-
keit römischen Wesens fehlt es doch auch jetzt nicht an einzelnen Zügen
der alten Rohheit und Wildheit. Man denke nur an den Abfall und
das zügellose Wesen der römischen Legionen in Rhegium. Eben so
wenig fehlte es aber auch an den ersten leisen Vorzeichen, daß mit dem
Eintritt Rom's in den griechischen Zauberkreis nicht bloß griechische
Bildung, Kunst und Wissenschaft viele Liebhaber unter dem jünger»
Geschlecht finden und die alten strengen und patriarchalischen Sitten
verdrängen werde, sondern daß auch griechische Genußsucht, Unsitte und
innerliche Fäulniß ihr ansteckendes Gift unter dem römischen Adel, bald
auch unter dem Volk verbreiten würde.
§. 12. Beginn des Weltkampfes zwischen Rom und
Karthago.
Aus zwei verschiedenen Bestandtheilen war dasjenige Weltreich
zusammengesetzt, an deffen Stelle das römische Reich zu treten be-
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Extrahierte Personennamen: Claudius)
Extrahierte Ortsnamen: Rom Karthago Griechenland Unter-Italien Rom Rhegium Rom Karthago
Xvii. §. 8. Die Westgothen in Rom und im südlichen Frankreich. 281
Mittelpunkt seiner Kirche für die Länder des Westens machen wollen.
Aber das Heidenthum hatte fort und fort hartnäckigen und entschie-
denen Widerstand geleistet. Jetzt eben erhub es sich zur Hoffnung
auf einen letzten Sieg über das Christenthum. Der Gegenkaiser
Attalus, der unter Alarich's Schutze in Rom dem Honorius
gegenübertrat, welcher sich hinter die Sümpfe und Mauern von
Ravenna geflüchtet hatte, war zwar getauft, erwies sich aber bald als
entschiedener Heide und darauf bedacht, die alte Herrlichkeit des Hei-
denthums in Rom wieder herzustellen. Trotz der drohenden Nähe
des Gothenheeres, trotz der schon zweimal erfolgten Vertragschließung
und Uebergabe an den Alarich, fuhr man in Rom unbegreiflicher-
weise fort, den Christengott zu lästern und die Götzen wieder hoch
zu ehren. Da war das Warten des langmüthigen Gottes zu Ende.
Wider seinen Willen mußte Alar ich als Racheengel über die gott-
empörerische Stadt herfahren. „Eine Stimme verfolgt mich," sprach
er, „die treibt mich, Rom zu zerstören." So brach denn das Gothen-
heer (410) herein in die unbußfertige Stadt, und wie früher in
Griechenland, so wurden jetzt in der Weltstadt die heidnischen
Tempel und Bilder und Erinnerungszeichen von dem Christenheer der
Barbaren zerstört und vernichtet, die Häuser geplündert, und die von
allen Enden des Weltkreises zusammengeraubten Schätze weggenom-
men. Da fraß das Schwert, da zehrte die Flamme unter dem Heiden-
volk, auch wohl unter dem tief gesunkenen Christenvolk der Stadt.
Aber dennoch, so viel es in solchen Augenblicken, wo alle Leiden-
schaften entfesselt sind, geschehen konnte, wurden die Christen mit ihren
Kirchen und Heilikhümern durch Alarich's Krieger geschont. Für die
Gemeinde des Herrn sollte es wohl eine schwere Züchtigung und War-
nung für die Zukunft sein, aber nicht ein Strafgericht zum Verderben
wie für das Heidenvolk. Daher durfte Alarich auch nicht in Rom
bleiben. Er mußte weiter ziehen nach Unteritalien, und da er das
Werk, wozu der Herr ihn erweckt, wohl ausgerichtet hatte, starb er
an der Südspitze Italiens und wurde von seinen trauernden Gothen
unter dem Busentofluß begraben. — War Alarich zum Strafwerk-
zeug über den zähen Ueberrest des Heidenthums in Griechenland und
Italien berufen gewesen, so hatte sein Nachfolger Athaulf den fried-
lichern Beruf empfangen, seinem Volke einen neuen festen und blei-
benden Wohnsitz zu gewinnen und ein wohlorganisirtes westgolhisches
Reich zu gründen. Aber nicht in Italien. Das südliche Frankreich
und ein Theil von Spanien war ihm zur Gründung seiner Herrschaft,
zur Vermengung seines Germanenvolks unter die keltisch-römische Be-
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Extrahierte Personennamen: Honorius Honorius Athaulf
Extrahierte Ortsnamen: Rom Frankreich Rom Ravenna Rom Rom Rom Griechenland Rom Unteritalien Italiens Griechenland Italien Italien Frankreich Spanien
Xiii. §. 2. Natur der Völker, denen die neue Aufgabe zufiel. 169
sönlichkeit ein freudiges Behagen und frische Bewegung auf allen Sei-
ten zu Tage bringt; so ist Rom's Aufgabe, die Rechte der Einzelnen
und der Genoffenschaften sorgfältig abzuwägeu, jeder persönlichen Will-
kür zu wehren, durch Verträge und feste Gesetze jedein Staatsglied seine
bestimmte Grenze anzuweisen, also die persönliche freie Bewegung des
Einzelnen zwar nicht zu hemmen, aber doch durch feste Umschränkung
dem Ganzen nutzbar zu machen. In Rom finden wir die monarchische
Ordnung des Orients mit dem freien republikanischen Wesen des Grie-
chenlandes in wohl berechneter Weise glücklich verbunden, und Rom's
Staatsformen sind so dauerhaft, seine gesetzlichen Bestimmungen sind
so wohl bewährt und trefflich erfunden, daß sie weit über des
Kaiserstaates Fall hinaus noch bis in die neueren Zeiten ihre Geltung
behauptet haben-
8- 2. Natur der Völker, denen die neue Ausgabe zufiel.
Rom sollte das Verbindungsglied sein zwischen den Völkern des
Ostens und Südens und den Völkern des Nordens und Westens,
zwischen den alten Völkern und den neu eintretenden, zwischen dem
Alterthum und der Neuzeit. Da hatte nun Gott in höchst wunderba-
rer Weise dafür gesorgt, daß auf dem Boden, aus welchem Rom er-
wuchs, gleichsam eine Mufterkarte aller der Nationalitäten ausgebrei-
tet war, auf deren Verbindung und Verschmelzung es zunächst ankam.
Da waren zunächst tyrrhenische Stämme, wie die Etrusker mit ihrer
herrschenden Priesterkaste, ihrem Natur- und Sterndienst und heiligen
Festgebräuchen, mit ihren Prachtdenkmalen und kolossalen Bauwerken,
mit ihrer weitgeförderten Bildung in Kunst und Schrift (von der Rech-
ten zur Linken) ihrem ausgebildeten Gewerbe und weitverzweigten
Handel, der ebenso wie ihr Zwölfstädtebund an orientalisches Gepräge
erinnert. Da waren zum zweiten griechische Colonieen, besonders
in Unteritalien, in solcher Fülle, Macht und Ansehen, daß fast die
ganze südliche Hälfte Italiens, sammt Sicilien, in ihren Händen
war und man diesen Theil des Landes nicht mit Unrecht Groß-Grie-
chenland nannte. Da waren ferner die aus dem Norden und Westen
eingewanderten keltischen und iberischen Stämme, ein kräftiges,
kriegerisches aber einfach patriarchalisches Geschlecht, welches in großer
Nüchternheit und Sitteneinfalt den Acker baute. Die eigentlichen
Italiker aber, von welchen später das ganze Land den Namen be-
kommen hat, waren ein den Griechen ebenfalls verwandtes, mit ihnen
aus gleicher Wurzel hervorgegangenes arisches Volk, welches sich aber
in ganz besonderer Weise entwickelt und dem früheren Zwillingsbruder
an Sprache und Sitte, Neigung und Begabung fremd gegenüber ge-
stellt hatte. Zu ihnen gehörig, an Einfachheit, Kraft und Strenge
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Extrahierte Ortsnamen: Rom Rom Unteritalien Italiens Sicilien
Xiii. §. 3. Entstehungsgeschichte Rom's. 171
Longa wurde der Vorort eines latinischen Städtebundes von etwa dreißig
selbständigen Städten, in welchen entweder erbliche Königssamilien oder
jährlich wechselnde Prätoren, Dictatoren rc. die Leitung in Händen hatten.
§. 3. Entstehungsgeschichte Rom's.
Die früheren Weltreiche waren von bestimmten Völkern errichtet,
welche ihr besonderes Gepräge vom Herrn empfangen hatten und
deshalb auch in der göttlichen Weissagung mit bekannten Geschöpfen
verglichen und bezeichnet werden konnten. So wird das babylonische
Chaldäervolk Dan. 7 mit dem Bären verglichen, das Volk der Me-
der und Perser mit dem Löwen, die Griechen mit dem gefleckten Par-
del, und an einer andern Stelle die Griechen mit dem Ziegenbock
und die Perser mit dem Widder (Dan. 8). Aber die Römer sind
ein so sehr viel anderes und eigenthümliches Volk, daß sie mit gar
keinem bekannten Thiere verglichen werden können. Rom wird be-
schrieben als ein namenloses Ungeheuer. Die Eigenthümlichkeit des
Ungeheuers besteht aber darin, daß es nicht ein einheitliches Ganze
bildet, sondern aus verschiedenen Geschöpfen zusammengesetzt ist, so
daß der eine Theil etwa einem Pferde, andere Glieder einem Vogel, der
Kopf einem Menschen anzugehören scheint, oder wie sonst die Zusam-
mensetzung sein mag. Eben dies ist nun die Eigenthümlichkeit des
Römervolks. Es war ursprünglich gar kein Volk, sondern eine Stadt-
gemeinde (ähnlich wie Athener, Spartaner u. s. w.), und diese Stadt-
gemeinde bestand nicht aus lauter gleichartigen Bestandtheilen, die
aus derselben Wurzel entsprungen, von demselben Saft und Geist
erfüllt sind, sondern aus Bruchtheilen dreier verschiedener Völker: der
Latiner (die selber schon ein Mischvolk waren), der Sabiner und der
Etrusker. Diese drei verschiedenen Volkstheile wuchsen aber nicht durch
längeres Zusammenleben allmälig zu einem neuen Ganzen zusammen,
sondern auf dem Wege des Vertrags, der berechneten und unter festen
Bedingungen erfolgten Einigung verbanden sie sich zu einem künstlich
gefügten Staatsorganismus. Sie stellten sich nämlich unter eine ge-
meinsame Regierung, nahmen gemeinsame religiöse, politische und bür-
gerliche Gebräuche an, verpflichteten sich gegenseitig zu bestimmten
Leistungen und räumten einander bestimmte Rechte ein. So erwuchs
das Volk aus drei Tribus oder Stämmen, den (latinischen)
Ramnes, den (sabinischen) Tities und den (etruskischen) Luceres. Das
waren ursprünglich drei von einander gesonderte Gemeinden, jede
unter ihrem Tribunus (Vorsteher, Vertreter). In jeder Tribus waren
natürlich Leute von verschiedener Herkunft, Bildung und Vermögen.
Sie theilten sich in Curien, von denen jede ihre besonderen Gottesdienste,
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Xiii. §. 7. Erniedrigung des republikanischen Rom.
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§. 7. Erniedrigung des republikanischen Rom.
Für das rasche Emporkommen des kleinen römischen Gemein-
wesens war es von großer Bedeutung gewesen, daß es im Lauf
der ersten drittehalb Jahrhunderte nur einen so seltenen Wechsel in
seiner obersten Leitung erfuhr, daß nur sieben Könige auf einander
gefolgt waren, jeder in mehr oder minderem Grade ausgezeichnet, je-
der mit langem Leben und langer Regierungsdauer. Durch die um-
sichtige und kräftige Haltung dieser Männer war Rom, als im Jahre
509 das Königthum abgeschafft wurde (es waren die Zeiten des
Hag gar und Sacharja bei. dem Wiederaufbau des Tempels zu
Jerusalem), schon stark, berühmt und mächtig geworden. Nicht bloß die
Stadt Rom war groß und fest, zahlreich bevölkert und mit stattli-
lichen Bauwerken verschönert; nicht bloß die verschiedenen Bestand-
theile des Volks waren in einen festen Verband und wohlgeordnete
Gemeinschaft gebracht und die Grundlagen der künftigen Staatsver-
fassung in trefflichster Weise gelegt, sondern auch das römische Gebiet
so bedeutend erweitert, daß sich der römische Oberbefehl und Einfluß
von der etruskischen Stadt Tarquinii im Norden bis zur Stadt Alba
im Süden, ja darüber hinaus bis zum Vorgebirge von Circeji und
nach Anrur (Terracina) erstreckte. Schon sorgten römische. Colonieen
dafür, daß römisches Blut, römische Sitte, römische Opfer, römische
Staatsverfassung sich im weiten Umkreise über das westliche Mittel-
Italien ausbreiteten. Von fernen Staaten her kamen Gesandte mit
Begrüßungen und Geschenken zu dem mächtigen ausblühenden Römer-
staat. Griechische, ja karthagische Häfen schlossen mit den Römern
Handelsverträge. Kurz, Rom war unter seinen Königen reich und
mächtig geworden. Aber das änderte sich gewaltig mit der Vertrei-
bung der Könige. Auch die Römer erfuhren, daß Untreue ihren
eignen Herrn schlägt. So geflissentlich auch die römischen Geschichts-
schreiber über die Zeit der Schmach und Erniedrigung Rom's hin-
wegeilen, so können sie doch nicht verdecken, daß die Etrusker sich
Rom's bemächtigten, daß mit den Latinern unglücklich gekämpft
wurde, daß fast alle unterworfenen Städte und Volksstämme abfielen,
daß fast alles eroberte Land wieder zuruckgegeben werden mußte, daß
Rom für lange Zeit auf seine allernächste Umgebung beschränkt wurde,
ja daß es anderthalb Jahrhunderte dauerte, bis es nach langem müh-
seligen Kampf nur erst alles das wiedergewonnen hatte, was es bei
Vertreibung der Könige bereits besaß, aber in den ersten Jahren der
Republik wieder verlor.
v 12 *
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Extrahierte Ortsnamen: Rom Rom Rom Sacharja Jerusalem Rom Circeji Italien Rom Rom
Xiii. §. 8. Innere Entwicklung der römischen Republik. 181
und die Eroberung einzelner Städte, von denen z. B. die nur wenige
Meilen von Rom gelegene Stadt Veji erst nach zehnjähriger Bela-
gerung gewonnen werden konnte. In einzelnen großartigen Zügen
sieht man auch wahrend dieser langen Zeit des Stillstandes noch im-
mer die alte abstracte Römertugend wieder Hervorbrechen; so in der
vielbewunderten Selbstverleugnung des Quinctius Cincinnatus,
der, vom Pfluge weg zur Dictatur gewählt, nach ruhmvoll erfochte-
nem Sieg über die Feinde wieder zum Pfluge trat; oder in dem
stolzen Edelmuth des Camillus, der den Schulmeister der belager-
ten Stadt Falerii von den eignen Schülern, die jener verrätherisch dem
Feinde überliefern wollte, wieder in die Stadt zurückpeitschen ließ.
Aber auch solche einzelne Züge sind während der genannten Zeit doch
nur sehr sparsam. Dagegen finden wir im Innern der Stadt wäh-
rend dieser Zeit eine Reihe von Gewaltsamkeiten und Frevelthaten,
welche uns das wilde Wolfsgesicht des römischen Staates auf eine
erschreckende Weise wieder enthüllen. Sie stehen allesammt in Ver-
bindung mit dem hartnäckigen und wüthenden Kampf innerhalb der
römischen Ringmauern, dem Kampf der Plebejer gegen die Patricier,
um gleiche politische Rechte, um Theilnahme an den republikanischen
Remtern und Würden und an der ganzen Staatsleitung zu erlangen.
Die Plebejer haben ihr Ziel wirklich erreicht; aber nur Schritt vor
Schritt konnten sie von der zähen Weigerung der Patricier bald dies,
bald jenes kleine Zugeständniß sich erkämpfen; und das kaum Er-
kämpfte ward ihnen unablässig wieder bestritten und aus den Händen
zu winden versucht. Dennoch siegten sie, und zwar war der erste
Schritt zum Siege die Aufstellung besonderer plebejischer Schirmvögte
mit sehr ausgedehnten Befugnissen zur Abwendung allgemeiner Maß-
regeln und Gesetze, die den Plebejern nachtheilig wären, und zur Be-
schirmung jedes einzelnen Plebejers, der von etwelchem Patricier
beeinträchtigt würde. Diese Befugniß, sich ihre Schirmvögte, Tribu-
nen selber zu wählen, und zwar in Comitien, zu welchen die Patricier
keinen Zutritt hatten (comida tributa), hatten die Plebejer erst er-
langt, als sie mit einer völligen Trennung und Auswanderung droh-
ten und sich bereits kriegerisch gerüstet und in ihrem gesonderten
Lager auf dem heiligen Berge verschanzt hatten.
Die Tribunen hatten zunächst die Sorge, der immer mehr um
sich greifenden Verarmung und Verschuldung der Plebejer abzuhelfen
und vorzubeugen. Da die Verarmung besonders durch die Schmäle-
rung des römischen Gebiets seit der Vertreibung der Könige, durch
die Rückgabe der bisher von Plebejern bebauten Staatsländereien,
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